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Eigene Sorgen vergessen während der Mentoring-Zeit
Erfahrungsbericht von Marie, Mentorin
im Projekt „ 1 zu 1 Patenschaften“
1. Juni 2017
Die acht Monate als Mentorin waren sehr erfüllend und haben mir großen Spaß gemacht. Ich habe für mich selbst realisiert, wie gut es mir tut, mit Kindern zusammen zu sein. Die Stunden mit Hanan haben mich aus meinem Alltag, meinen Grübeleien und Sorgen „herausgesogen“. Es war ein bisschen so, als befände ich mich in dieser Zeit in einer Blase, in der nur Hanan, unsere gemeinsame Aktivität und ich zählen und ich mich voll und ganz darauf konzentriere, ohne mich ablenken zu lassen. Außerdem hat es eine sehr befreiende Wirkung auf mich gehabt, einfach auch mal Quatsch mitzumachen, herumzutoben und Dinge zu tun, die ich sonst nicht oft tue.
Meinen Freunden und meiner Familie habe ich immer sehr begeistert von den Treffen mit Hanan berichtet und es bedeutete mir viel, das Gefühl zu haben, dass ich Hanan etwas Gutes tue und dass ich ihre Familie unterstütze. Meine Erzählungen beinhalteten Worte wie lustig, schön, hyperaktiv, ausgelassen, voller Überraschungen und spannend. Das zeigt, dass alles in allem sehr positiv verlaufen ist. In der Abschlussphase unserer Mentoring-Zeit wurde unsere Beziehung freundschaftlich und Hanan mir gegenüber offener. Zum Beispiel hat mir Hanan einen Tagebucheintrag geschrieben, der mich sehr berührt hat. Darin schrieb sie, dass sie an mich denkt, mich vermisst und sich schon auf unser nächstes Treffen freut. Besonders schön mitzuerleben waren Momente, in denen Hanan aufblühte, wie zum Beispiel zwei Mal bei mir zu Hause, als sie die Musik laut aufdrehte und wie wild herumtanzte. In solchen Momenten war sie nicht mehr zu bändigen und ich konnte natürlich auch nicht tatenlos herumsitzen, sondern musste mittanzen, sie in meinen Armen herumwirbeln oder singen.
Durch das Miterleben der nicht immer leichten Situation von Hanans Familie – besonders ihre Wohnsituation und die Suche nach einer Wohnung, das Deutschlernen und sich Zurechtfinden in Berlin, sowie das Meistern anderer bürokratischer Angelegenheiten – habe ich gelernt, meine eigene Lebenssituation stärker wertzuschätzen. Es ist alles so viel einfacher, wenn man die in seinem Wohnort verwendete Sprache beherrscht und das Funktionieren des Gesellschaftssystems kennt. Ich habe gelernt, meine Sorgen zu relativieren und zufriedener zu sein.
Allerdings ist mir auch bewusstgeworden, dass es manchmal nicht leicht ist, herauszufinden, was ein anderer Mensch denkt und braucht, wenn er es nicht direkt äußert bzw. nicht äußern kann, weil der benötigte Wortschatz fehlt. Gerade in der Konstellation Mentorin – Mentee finde ich es wichtig, darüber zu sprechen, was meine mir anvertraute Mentee braucht, um als Mentorin konkrete Ziele anleiten zu können. Da ich mich für Hanan verantwortlich gefühlt habe und mir ihre Bedürfnisse am Herzen lagen, hätte ich im pädagogischen Sinne gerne noch etwas mehr leisten wollen. Das heißt, dass ich gerne noch einen Schritt weitergegangen wäre, von den durch Entertainment geprägten Treffen hin zur Thematisierung von Sorgen und deren Bewältigung, sowie Zukunftswünschen und Plänen.