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“Im Islam ist das Haram” – Kulturaustausch beim Mentoring
Erfahrungsbericht von Torsten, Mentor
im Projekt „1 zu 1 Patenschaften“
3. Mai 2017
Vor ein paar Wochen waren wir bei mir zu Hause, um einen Kuchen zu backen. Ich hatte ihn zu Hause abgeholt und unser Gespräch war auf der Fahrt eher schleppend. Beim Backen taute er jedoch langsam auf, schaute unsere Gewürze durch und stellte fest, welche er kannte und wie sie auf Arabisch hießen und entdeckte schließlich in der Speisekammer eine Hartwurst und auf dem Kühlschrank den Rest eines großen spanischen Schinkens. Die von ihm wahrscheinlich erwartete Antwort, dass die Wurst aus Schweinefleisch sei, befremdete ihn dennoch. Dass es sich bei dem Schinken jedoch nicht um einen Teil einer Kuh handelte, weckte seine Neugier. Er wollte den Schinken sehen, berührte vorsichtig die Hufe und … wusch sich dann ganz schnell die Finger. Danach entdeckte er eine Flasche Grappa und Whiskey, die in einem Schrank standen und fragte ungläubig:
„Trinkst du Alkohol?“
– „Ja, machmal“
„Jeden Tag?“
– „Nein, aber ab und zu. Und bei bestimmten Festen, wie zum Beispiel Sylvester ist es relativ üblich, um zwölf Uhr gemeinsam anzustoßen und dabei auch Alkohol zu trinken.“
Auf den Grappa deutend: „Aber wenn man eine Flasche austrinkt stirbt man!“
– „Kommt drauf an, aber man trinkt eine Flasche auch nicht allein an einem Tag aus.“
„Trinkt deine Frau auch Alkohol?“
– „Ja.“
„Im Islam ist das Haram.“
– „Ich weiß.“
„Aber du bist Christ. Gehst du in die Kirche? Hast du eine Bibel?“
– „In die Kirche gehe ich normalerweise nicht. Und eine Bibel müssten wir irgendwo haben“ [beim nachfolgenden Suchen fand ich sie dann aber nicht, fragte ihn aber:] „Gehst du in die Moschee?“
„Nein, aber ich höre mir Teile des Korans auf dem Handy an, wenn ich nicht einschlafen kann. Dann kann man gut einschlafen. Kannst du gut einschlafen? Ich zeige es Dir. Das ist schöne Musik“. …
Bei der Frage nach dem Schweinefleisch und sodann nach dem Alkohol hatte ich das Gefühl, dass sich einerseits seine Neugierde Bahn brach und ich ihn auf der anderen Seite mit meinen Antworten irritierte. Die Irritation (er trinkt Alkohol – und sogar seine Frau! – und ist trotzdem nett!) öffnete ein wenig ein Fenster in meine Welt und das Leben in Berlin. Gleichzeitig bekam ich über seine Fragen und die Antworten auf meine weiteren Fragen Einblicke in seine Gedanken, die er sonst im Rahmen unserer sonst oftmals nicht so tiefer gehenden Gespräche niemals bekommen hätte.
Das Tandem von Thorsten und Jihad wurde ermöglicht durch das Landesprogramm Flüchtlingspatenschaften des Berliner Senats.