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Warum Rosi und ich so ein gutes Team sind
Erfahrungsbericht von Alena, Mentorin
15. März 2016
Warum wir beiden so ein gutes Tandem sind? Weil wir uns beide viele Gedanken über die Welt machen. Wir beide wachsen als Sandwich-Kinder auf, mit kleinen Geschwistern, für die wir Fürsorge und Verantwortung empfinden, und mit großen Geschwistern, bei denen wir uns fragen, warum sie ihr Leben so führen, wie sie es führen und ob wir das später wohl genauso oder anders machen möchten. Und gerade deshalb können wir so gut reden. Dabei können wir viel voneinander lernen, weil wir eine unterschiedliche Perspektive haben: Rosi ist 12 Jahre alt und ich 26. Trotzdem können wir uns ineinander hinein versetzen. Rosi ist ein sehr sensibles und aufmerksames Mädchen, die viele Fragen hat. Wie kann man von Zuhause ausziehen und ein eigenes Zimmer bezahlen, wenn man noch gar kein Geld verdient? Warum haben plötzlich viele Menschen Angst vor Bombenanschlägen und muss man deshalb Angst haben, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen? Ist es besser auf die Gesamtschule oder auf das Gymnasium zu gehen? Oder auch, will ich zu den besten der Klasse gehören oder ist das nicht so wichtig? Und wer sind die Flüchtlinge, die seit Dezember in der Schulturnhalle wohnen? Da frage ich mich dann oft, ob ich mir mit 12 Jahren wohl auch schon so kluge Gedanken gemacht habe, und wenn ja, wem hätte ich diese Fragen wohl gestellt? Während ich ihr heute hoffentlich viele wichtige Fragen beantworten kann, erdet sie mich mit ihrer direkten und offenen Art, die in der verkomplizierten Erwachsenenwelt viel zu selten ist.
Rosi trägt mit ihren 12 Jahren schon viel Verantwortung. Oft sind ihre kleinen Geschwister Kofi (4 Jahre alt) und Shirley (7 Jahre alt) bei den Aktivitäten dabei, weil Rosis Eltern arbeiten müssen und jemand auf die Kleinen aufpassen muss. Sie sind sehr herzlich und aufgeweckt, und gleichzeitig auch fordernd. Kofi redet viel und schnell. Shirley redet noch mehr und noch schneller. Und meistens reden sie beide gleichzeitig! Wow, da bin ich dann völlig überfordert, aber Rosi hat die Lage immer voll im Griff. Sie wird sehr geliebt von ihren Geschwistern und auf sie hören die beiden auch. Wenn wir mit den Geschwistern zusammen sind, nimmt sie sich sehr zurück, stellt ihre eigenen Interessen, Fragen und Wünsche hinten an. Sie schenkt Kofi und Shirley all ihre Aufmerksamkeit, damit auch deren Fragen Gehör finden und ihren Bedürfnissen nachgegangen wird. Wenn wir ohne ihre Geschwister unterwegs sind, wünsche ich mir, dass sie all ihre Verpflichtungen abschütteln kann. Ich möchte ihr Zeit schenken, in der sie selbst der Mittelpunkt ist, in der ihre Bedürfnisse im Vordergrund stehen und in der sie in sich hineinhorchen kann, um nach ihren eigenen Wünschen und Träumen zu suchen: Einzelkind-Zeit sozusagen, in der man nicht um die Aufmerksamkeit buhlen muss. Auch wenn ich damals in meiner Familie viel mehr Freizeit und Aufmerksamkeit hatte als Rosi heute, weiß ich doch, wie viel Einzelkind-Zeit wert ist, die ich von meinen Großeltern geschenkt bekam.
Manchmal wechselt Rosi so energetisch hin und her zwischen ernsten Überlegungen zu ihrer Zukunft und kindlicher Unbefangenheit, dass ich kaum hinterher komme. Auch sie redet gerne viel (sofern ihre Geschwister nicht die komplette Redezeit beanspruchen), sodass egal welche Aktivität wir uns zusammen ausgesucht haben, die Diskussionen vor, während und nach der Aktion immer ein wichtiger der Teil der gemeinsamen Zeit ist. Um diese dann auch ins Tagebuch aufzuschreiben, muss ich schon mehr Motivationsarbeit leisten. Unsere Aktivitäten waren bisher so bunt wie das Leben selbst: Tanzen, Plätzchen backen, auf den Weihnachtsmarkt gehen, dann gebrannte Mandeln selber machen, Bowlen, mit der Safarni nach Weißrussland reisen, Schlittschuh laufen, Lasagne backen (Rosis Lieblingsessen), Cookie-Eis essen und Bibi&Tina 3 im Kino anschauen.
Eine hohe Anziehungskraft übt auch das Klavier aus, was in meinem WG-Zimmer steht. Nachdem wir uns das Innere mit den Saiten und Hämmern genau besehen haben, geschaut haben, was passiert, wenn man eine Taste drückt und was sich verändert, wenn man dazu noch das Pedal benutzt, haben wird das Stück Für Elise von Beethoven auseinander genommen. Nicht gerade das einfachste Anfängerstück, aber wenn die Motivation nun mal für genau für dieses Stück da ist, dann möchte ich diese sie nicht mit langweiligen Fingerübungen zerstören. Wenn es um musikalische und kreative Förderung ging, habe ich von meinen Eltern fast alles bekommen, was ich mir erträumen konnte. Es gab wenige finanzielle Restriktionen. Rosi ist musisch sehr begabt und interessiert und ich hoffe, dass wir eine Möglichkeit finden werden, mit der sie diesem Interesse nachgehen kann.